Was passiert mit uns wenn ein geliebter Mensch stirbt?

Ich sehe eine wunderschöne Kathedrale, die in „langer“ Zeit mit sehr viel Liebe, Geduld und so vielem mehr, zu einem prachtvollen und äußerst komplexen Bau entstanden ist. Dies ist unser Leben, so wie wir es kennen, lieben und leben. Und plötzlich fällt ein wichtiger Stein z.B. einer der tragenden Säulen weg. Ein Ehepartner, ein Elternteil, ein Kind, der beste Freund, der liebe Nachbar oder ein geliebtes Tier, wird aus dem Leben hier auf Erden entlassen. Seine Wärme, seine Augen, seine Worte und all das, was uns Lebewesen und speziell uns Menschen ausmacht, ist plötzlich nicht mehr greifbar. Unwiederbringbar, ist ein tragendes Bauteil verschwunden. Und was nun?

Eine zeitlang können die anderen Säulen und tragenden Elemente die Konstruktion sicherlich tragen, aber wie lange? Wie lange kann man eine Konstruktion stabilisieren die so filigran, so sensibel ist, dass schon jede kleine Veränderung zu einer Neujustierung des gesamten Gebildes führen kann? Und was passiert, wenn die Kraft nachlässt dem gewohnten Leben nachzugehen, da man die zusätzliche Last einfach nicht mehr tragen kann?

Eine Möglichkeit wäre das fehlende tragende Teil mit einem Ersatz zu stopfen. Das können z.B. viel Arbeit, extremer Sport, Betäubungsmitteln oder viele andere Dinge sein, die uns unser modernes Leben bereithält. Eine andere Möglichkeit kann sein hinzuschauen. Hinzuschauen auf das was IST, das was WAR und auf das was SEIN kann. Diese Möglichkeit sehe ich als ein Geschenk, damit wir lernen unser Leben als das zu sehen was es ist, wunderschön. Aber was soll am Leben wunderschön sein, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Wie soll das gehen?

Wir können beginnen vorsichtig hinzuschauen, um zu sehen wie stark hat uns dieser Verlust verletzt? Wie stark wurde unsere Kathedrale beschädigt? Und wenn wir uns liebevoll dieser Bestandsaufnahme gestellt haben, können wir beginnen die Kathedrale vorsichtig und liebevoll abzutragen. Wir schauen uns die Bauteile, die z.B. für gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen stehen, an. Wir können sie nun markieren und achtsam zur Seite legen. Und wenn wir das Gefühl haben, die standfesten und soliden Mauern unseres Bauwerks erreicht zu haben können wir wieder mit dem Aufbau beginnen. Wir können anfangen unsere Kathedrale neu zu errichten. Und nun können wir schauen welche der abgetragenen Steine in unserem neuen Bauwerk wieder verwendet werden. Vielleicht ist es ein mutmachender Spruch des Ehepartners der nun den Grundstein eines neuen Hauptpfeilers bildet. Vielleicht ist es ein Lächeln des Kindes, was sich heut in den bunt verglasten Fenstern wiederfindet oder es ist vielleicht der Mut der Großmutter der einen dazubringt in schwindelerregende Höhen zu bauen. Und so kann jedes Lebenwesen welchem wir unsere Zeit, Liebe, Geduld und so vieles mehr geschenkt haben, ein Teil unseres Lebens bleiben. Und so können wir seelisch wachsen und unsere Kathedrale mit jedem Verlust höher, schöner und filigraner errichten. Wir haben es selbst in der Hand. Wir haben die Möglichkeit den Tod nicht nur als ein Ende sondern vorallem auch als einen Neuanfang zu sehen.

Wir sind die Erbauer unserer Kathedrale und wir entscheiden in welchem Zustand sie sich befindet und vor allem befinden wird.