Die Diagnose, der Abschied, die tragische Nachricht, der Unfall, der plötzliche Todesfall, der Tod überhaupt. Jeder einzelne solcher Momente scheint die Zeit an zu halten. Jeder einzelne solcher Momente bringt uns komplett aus der Fassung, bringt das Konstrukt unseres Lebens von einer Sekunden zur Nächsten aus dem uns bekannten Gleichgewicht.
Heut morgen war die Welt noch in Ordnung…
Wir hatten Freude, haben gelacht und Pläne geschmiedet. Nun die Nachricht! Immer wieder dieser Gedanke, den man verzweifelt ausrufen will: „Das kann doch alles nicht wahr sein!“. Man versucht etwas zu fassen, was sich nicht fassen lässt. Versucht zu begreifen, was sich nicht begreifen lässt. Wir verlieren jedes Zeitgefühl. Es wird alles egal.
Die Trauer lähmt
Wie sehen oder gehen wir oft mit der Trauer im Falle eines ungewollten Abschiedes, eines Todes, Unglückes oder einer Diagnose um? Wir schauen immer auf das, was wir verlieren werden oder gar verloren haben. Wir haben Angst davor, dass unser Lebenskonstrukt, was einem Spinnennetz gleicht, zerstört wird und damit alles zusammenstürzt. Wir sind so gefangen in unserem eigens geschaffen Spinnennetzt, haben es so filigran gemeinsam mit anderen Menschen gewebt, dass wir uns nicht vorstellen wollen, was passiert wenn unser Lebenskonstrukt zerstört wird. Allein der Gedanke daran löst Angst, Trauer und Hilflosigkeit in uns aus, die uns lähmt und uns hindert fröhlich weiter zu weben. Wir wollen doch aber fröhlich sein, müssen ja schließlich im gesellschaftlichen System funktionieren, also verstecken wir die Gedanken tief hinter den Visionen einer unendlichen und glücklichen Zukunft.
Die Angst vor dem Tod ist real
Ich möchte nicht sagen, dass die Angst unbegründet ist, da es ja wirklich so ist. Eine Nachricht genügt und nichts ist mehr so wie es war. Da wir Menschen die Gewohnheiten, die Routinen in unserem Leben lieben, ist es für uns eine sehr große Herausforderung plötzlich und vor allem unfreiwillig in die Situation eines Abschiedes und dem damit verbundenen Neuanfang gedrängt zu werden. Denn die Gewohnheiten und Routinen geben uns die Sicherheit und Stabilität, die wir in den unsicheren Zeiten, die uns im Außen durch Nachrichten und diverse Entscheidungen von „Oben“ beschert werden, benötigen. Dazu gehört auch der familiäre und freundschaftliche Zusammenhalt, der uns den Frieden und die Liebe die wir benötigen, um den Alltag zu meistern, sichern. Hauptsache wir bleiben gesund und es geschieht kein Unglück sind die Wünsche aller. Denn uns allen ist durchaus bewusst, wie schnell das Spinnennetz, das Konstrukt unseres Lebens in sich zusammenfallen kann und die Angst davor ist oft übermächtig. Im Falle der Diagnose, eines unfreiwilligen Abschiedes oder gar des Todes wird unsere Angst bestätigt. Wir haben uns ja schließlich aus Angst nie mit den Gefühlen die mit so einer Situation einhergehen beschäftigt und sind dadurch vollkommen überfordert. Wir fühlen nichts mehr. Sind wie gelähmt.
Warum bleibt die Zeit stehen?
Obwohl wir genau wissen, dass die Zeit nicht wirklich stehen bleibt, da um uns herum ja alles weitergeht, haben wir das Gefühl, dass alles plötzlich still steht.
Und ja in uns bleibt alles stehen. In uns löst jede schockierende Nachricht eine Stopptaste aus, die dafür sorgt, dass wir stehen bleiben. Damit wir zur Ruhe kommen und uns mit der Situation auseinander setzen.
Wenn wir eine schockierende Nachricht erhalten, fällt unser Lebenskonstrukt oft zusammen wie ein Kartenhaus oder das Netz einer Spinne. Mit viel Mühe, Liebe Engagement und Zeit haben wir uns dieses Leben aufgebaut. Haben uns einen Alltag mit Menschen geschaffen, die wir lieben. Und plötzlich kommt das Schicksal, wie es viele bezeichnen, und macht dieses Leben vollkommen kaputt. Zerstört das Kartenhaus oder das Spinnennetz von einer Sekunde zur Nächsten.
Es ist eine wundervolle und schützende Reaktion unserer eigenen Seele, dass dann unser innerstes System die Stopptaste drückt und halt sagt, jetzt bleibst Du stehen. Nachdem so etwas wertvolles durch den Tod plötzlich kaputt gegangen ist, ist es wichtig sich zu sammeln, Abschied zu nehmen und zu schauen wie man von vorn wieder anfangen kann.
Erst wenn man sich die Zeit nimmt, die Stoppsituation bewusst wahr zu nehmen, bewusst Abschied nimmt, bewusst die Trauer wahrnimmt, kann man erkennen, dass in jedem Abschied auch ein Neuanfang steckt. Erst dann kann man erkennen dass man nichts verloren hat, sondern so viele wundervolle Erfahrungen mit der gemeinsamen Zeit gewonnen hatte.
Doch wie sieht die Realität aus
Die Zeit die wir benötigen bekommen die Wenigsten von uns. Das System der Gesellschaft ruft und zwingt zum weitergehen. Zum übergehen der Stopptaste und zum funktionieren. Im besten Fall gibt es eine Vorsorgemappe, in der alles im Vorfeld geregelt wurde und die nun einen Großteil der gesellschaftlichen Verpflichtungen leichter gestalten lässt. Doch oft gibt es nichts. Nie wurde darüber gesprochen, was passiert wenn das Spinnennetz unseres Lebens zerstört wird? Was zu tun ist um Absicherungen zu schaffen, damit alle die zurückbleiben die Chance bekommen, sich ein neues Leben auf zu bauen? Oft leben wir mit der Vision von dem was wir gemeinsam noch schaffen wollen. Leben immer mit den Gedanken in der Zukunft. Arbeiten auf die nächsten Highlights unseres Lebens hin.
Abschied nehmen will gelernt sein
Jeder kann und sollte sich auf das Abschiednehmen vorbereiten. Warum, weil wir auf diese Welt gekommen sind um Erfahrungen zu sammeln. Wir wollen all die unterschiedlichsten Emotionen erfahren. Wir wollen spüren was Trauer bedeutet. Wir wollen wissen wie wir das Kommen und Gehen auf dieser Erde mit der Geburt, dem Sterben und dem Tod wahrnehmen. Doch wollen wir dabei nicht für Jahre darin feststecken. Wir wollen durch die unterschiedlichen Erfahrungen wachsen und dadurch lernen die Welt und das zwischenmenschliche Dasein aus unterschiedlichsten Gesichtspunkten wahrzunehmen.
Mit meinem Glückspfad gemeinsam mit dem Notfallkofferprogramm entwickelt sich etwas, mit dem man fast unbemerkt, mitten im Leben stehend, Abschied nehmen lernen kann. Denn Abschied bedeutet nicht nur den Tod. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Königsklasse. Abschiede finden sich jeden Tag, jeden Moment in unserem Leben.